
Ist doch alles Käse
Fast senkrecht, mit 48 Prozent Steigung, rattert die Bahn den Pilatus hoch. Rechts und links der Schienen beäugen uns zwischen Felsen stehende Steinböcke. Aufgeregt zeige ich auf die majestätischen Alpentiere. Doch meine Gäste würdigen sie keines Blickes. Bleich um die Nase fragt mich mein Kollege: «Kommen wir da je wieder runter?» Schmunzelnd antworte ich: «Runter kommen wir immer.» Mein Kollege wird noch bleicher.
Auf dem Gipfel werden wir von Alphornklängen empfangen. Die tiefen Naturtöne beruhigen meine Gäste. Ich kann sie ermuntern, dem Alphorn einige Töne zu entlocken. Zur Erheiterung aller versage ich kläglich. Wir geniessen einige Minuten lang die Fernsicht. Dann brechen wir zum Fonduerestaurant auf.
Fondue ist die Schweizer Käse-Spezialität und das Nationalgericht schlechthin. Fondue besteht aus geschmolzenem Käse, Weisswein und einem Schuss Kirsch. Die Käsemasse wird in einem Caquelon über einem Tischkocher, dem Rechaud, heiss gehalten. Man sitzt um das Rechaud und steckt an spiessartige Fonduegabeln mundgerechte Brotstücke. Dann wird das Brotstück in der heissen Käsemasse ein paarmal herumgerührt, bevor man es sich in den Mund steckt. Wer es würziger mag, tunkt das Brot vorgängig noch in Kirschschnaps.
Im Gespräch versunken, vergesse ich, meinen Gästen die Fondueregeln zu erklären – uns werden sie quasi in die Wiege gelegt. Kaum steht das Fondue auf dem Tisch, trinken meine Gäste das fürs Brot angedachte Kirschglas in einem Schluck leer. Dann schmeissen sie dermassen schnell die Hälfte ihres Brotes in das Caquelon mit flüssigem Käse, dass ich sie nicht daran hindern kann. «Danke für die feine Vorspeise, wir lieben Brotsuppe», sagen die beiden begeistert, greifen den auf dem Tisch liegenden Dessertlöffel und beginnen genüsslich die vermeintliche Suppe auszulöffeln. «Etwas zähflüssig die Suppe, soll ich sie verdünnen?», fragt mein Kollege und giesst, ohne meine Antwort abzuwarten, die halbe Flasche Kirsch ins Fondue.
Ich schaue die beiden mit grossen Augen an. «Brot-Käse- Suppe? Das habe ich mir so noch nie überlegt». Etwas verlegen erkläre ich meinen Freunden, wie wir Schweizer Fondue essen und als was wir es sehen: als deftige, zähflüssige Hauptspeise.
Wir lachen Tränen und bestellen nochmals ein Fondue. Nun können es meine Gäste richtig essen und geniessen – als käsige Hauptspeise, in der man gemütlich und unendlich lange sein Brot rührt.
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