Emma und Noah sind beide am selben Tag im selben Spital geboren. Noch geht es ihnen blendend, sie strotzen zur Freude ihrer Eltern nur so vor Gesundheit. Damit dies so bleibt, müssen die beiden Neugeborenen unter anderem möglichst rasch ein kräftiges Immunsystem und eine gesunde Darmflora aufbauen. Nur so können Emmas und Noahs kleine Körper vor allerlei fremden Eindringlingen und Krankheitserregern geschützt werden. Eine ungewohnte Erfahrung für die beiden Babys. Denn in der Gebärmutter sind sie weder mit krankheitserregenden Bakterien noch mit Viren in Kontakt gekommen. Sie haben über die Plazenta lediglich jene ersten Bakterienstämme (1) erhalten, die später wichtig sind für den Auf- und Ausbau der Darmflora und des Immunsystems.
Doch wie kommen Emma und Noah nach der Geburt möglichst schnell zu einer optimalen Anzahl gutartiger Bakterienstämme und somit zu einer gesunden Darmflora? Forscher haben herausgefunden (2), dass die Zusammensetzung der Bakterienpopulationen und folglich der Darmflora unter anderem mit unserer Ernährung und den Umweltbedingungen zusammenhängt.
Emma kam relativ einfach zu weiteren Bakterienstämmen mit positiven Eigenschaften. Das kleine Mädchen verliess zielstrebig über den Geburtskanal die Gebärmutter und kam dadurch quasi kostenlos zu etwa 900 Bakteriensorten (3). Sie gingen im Geburtskanal von der Mutter vertikal zur Tochter über und legten sich schützend um das Neugeborene, noch bevor es mit fremden Keimen in Kontakt kam.
Der Mensch und die Bakterien bilden zusammen ein sensibles Ökosystem. Der Mensch ist dabei gleichzeitig Lebensraum und Ernährer.
Noah machte es sich schwerer. Statt sich durch den Geburtskanal zu quetschen, liess er sich per Kaiserschnitt aus der Gebärmutter heben. Er erhielt daher seine ersten Bakterien nicht primär von seiner Mutter, sondern über Hautkontakt verschiedenster Personen, die in der Geburtsklinik täglich ein- und ausgingen. Im Gegensatz zur Vaginalflora ist die Hautflora stärker der Aussenwelt ausgesetzt. Sie enthält daher unter Umständen auch Bakterien, die nicht zwingend zum Aufbau einer gesunden Darmflora und eines gut funktionierenden Immunsystems beitragen. Noah wird viele Monate länger brauchen, bis er sich dieselbe Darmflora aufgebaut hat wie vaginal entbundene Kinder (3, 4). Erst ab dem siebten Lebensjahr wird man nicht mehr unterscheiden können, ob ein Kind natürlich oder durch Kaiserschnitt zur Welt gekommen ist.
Normalerweise reicht der erste mütterliche Bakterien-Mix dem Neugeborenen aus, sich eine gesunde Darmflora aufzubauen. Sie wird später rund 400 verschiedene Bakterienspezies umfassen (5). Babys erhalten jedoch auch über die Muttermilch Bakterien und Nährstoffe, die das Wachstum spezifischer darmzuträglicher Bakterienstämme fördern. Einer der vielen Gründe, weshalb Stillen die gesündeste Ernährungsform für ein Baby ist.
Die Hälfte der im Dickdarm lebenden Bakterien sind die Milchsäure produzierenden Laktobazillen und Bifidobakterien. Sie sorgen dort für ein saures Milieu, das für die menschliche Gesundheit äusserst wichtig ist. Denn Milchsäure bildet eine natürliche Barriere, welche die meisten Krankheitserreger wie etwa Salmonellen oder Fäulnis- und Kolibakterien kaum durchbrechen können. Und falls sie die Barriere trotzdem überwinden sollten, stehen sie einer immensen Zahl gutartiger Bakterien gegenüber, die unsere Darmwand inzwischen dicht besiedelt haben. Und zwar so dicht, dass die krank machenden Eindringlinge kaum genügend Platz finden, sich nennenswert auszubreiten.
Der Aufbau beziehungsweise die Besiedelung des Dickdarms mit «guten» Darmbakterien ist komplex. Der Mensch und die Bakterien bilden zusammen ein sensibles Ökosystem. Der Mensch ist dabei gleichzeitig Lebensraum und Ernährer.
Die Nahrung der Darmbakterien besteht insbesondere aus Ballaststoffen und spezifischen Kohlenhydraten. Die für den Aufbau der Darmflora wichtigen Laktobazillen und Bifidobakterien sind jedoch äusserst wählerisch. Ihnen munden ausschliesslich Kohlenhydrate. Als Abfallprodukte ihrer Verdauung sondern die Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren, Gase und starke Milchsäuren ab. Letztere hemmen das Wachstum unerwünschter Bakterien – ein äusserst angenehmer Nebeneffekt.
Zur Familie der Kohlenhydrate gehören beispielsweise die Galactooligosaccharide, auch unter dem Fachbegriff GOS bekannt. GOS sind unverdauliche Mehrfachzucker und gehören zu den Präbiotika. Sie kommen natürlicherweise in der Muttermilch und in äusserst geringer Menge auch in Kuhmilch vor. Für den durch Kaiserschnitt geborenen Noah ein weiterer erschwerender Umstand, denn bereits nach vier Wochen hat er sich der Muttermilch verweigert und erhält seither Babynahrung.
Die Eltern von Noah müssen sich jedoch keine grossen Sorgen machen, sofern sie ihrem Sohnemann mit GOS-angereicherte Anfangs- und Folgenahrung zu trinken geben, wie sie etwa HOCHDORF produziert. Wir sind uns seit Langem bewusst, wie wichtig GOS für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer gesunden Darmflora sind. Muttermilch enthält zwar über 130 verschiedene Oligosaccharide, die meisten gehören jedoch wie die GOS zur Gruppe der Präbiotika. Auch enthält unsere Babynahrung ausschliesslich leicht verdauliche Galactooligosaccharide, welche bei Babys kaum zu Blähungen führen sollten.
In einer Studie konnte beispielsweise aufgezeigt werden, dass kaum ein Unterschied zwischen formula- und brusternährten Kindern besteht, was Bifidobakterien, Laktobazillen und weitere Parameter (6) betrifft. Es gibt einige Studien, die klar belegen, dass mit GOS angereicherte Anfangs- und Folgenahrung Bifidobakterien wie auch Laktobazillen sogar stimuliert (6, 7, 8) und somit zusätzlich für eine ausgewogene Darmflora sorgt (7, 8, 9, 10, 11).
Wir dürfen somit gespannt sein, wie sich Emma und Noah in den kommenden Monaten entwickeln. Erfahren Sie mehr in der nächsten Ausgabe von «HOCHDORF Inside».
Weitere Informationen
Quellen
1) Jimenez E et al. Isolation of commensal bacteria from umbilical cord blood of healthy neonates born by caesarean section. Curr Microbiol 2005; 51:270–274.
2) Enterotypes of the human gut microbiome, published in Nature. 2011 May 12; 473(7346): 174–180.
3) Bik EM. Composition and function of the human-associated microbiota. Nutrition Reviews® Vol. 67 (Suppl. 2): 164–171.
4) Palmer C, Bik EM et al. (2007) Development of the human infant intestinal microbiota. PLoS Biol 5(7): e177; doi:10.1371/ journal.pbio. 0050177.
5) www.spektrum.de/lexikon/biologie/darmflora/ 16824 Copyright 1999 Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.
6) Ito M et al. Effect of administration of GOS on the human faecal microflora, stool weight and abdominal sensation Microb. Ecol. Health Dis. 1990.
7) Ben XM et al. Supplementation of milk formula with GOS improves intestinal micro-flora and fermantation in term infants. Chin. Med. J. 2004.
8) Napoli JE et al. Bifidogenic effects of feeding infant formula containing GOS in healthy formula-fed infants. Asia Pac. J. Clin. Nutri. 2003.
9) Sierra C et al. Prebiotic effect during the first year of life in healthy infants fed formula containing GOS as the only prebiotic: a multicentre, randomised, double-blind and placebo-controlled trial. Eur J Nutr (2015) 54:89–99.
10) Bongers A. et al. Prebiotics and the bioavailability of minerals and trade elements. Food Reviews international 2003.
11) Schoterman HC. GOS properties and health aspects. Advanced Dietary Fibre Technology/L.Blackwell Science 2001.