Interview mit Madeleine Widmer  betreffend Umstellung auf die neue EU-Verordnung.

 

HOC_Ins_Madeleine_Widmer-11Eine grosse Gesetzesänderung im Bereich Babynahrung liegt an. Ab dem 22. Februar 2020 müssen alle in der EU und der Schweiz verkauften Babynahrungen den Vorgaben der neuen EU-Verordnung für Säuglingsanfangs- und Folgenahrung entsprechen. Unser Geschäftsbereich Baby Care ist in den letzten Zügen der Umstellung – Genau der richtige Zeitpunkt, um einmal hinter die Kulissen unseres Entwicklerteams zu blicken. Wir haben bei der stellvertretenden Leiterin Entwicklung Baby Care nachgefragt. Madeleine Widmer ist eine der Project Manager Development & Applications, sie begleitet Kundenprojekte und ist mitverantwortlich für diverse Rezepturen.

 

Was sind die Aufgaben des Entwicklerteams Baby Care?

Madeleine Widmer: Wir sind verantwortlich für die Rezepturentwicklung und -optimierung von Babynahrung – angefangen beim Rohstoff bis hin zur Begleitung der Erstproduktion. Dabei unterscheiden wir grundsätzlich zwei Arten von Projekten. Das eine ist die Entwicklung, Optimierung und Pflege unserer eigenen Rezepturen. Das andere ist die Rezepturentwicklung nach spezifischen Kundenwünschen. Beide Projektarten beinhalten Aufgaben wie die Rohstoffevaluierung, Versuchsproduktionen, Lagertests aber auch die Mitorganisation von Analysen, die Erstellung von Spezifikationen und die Begleitung der Erstproduktion. Die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen ist dabei das A und O.

In welchen Bereichen ist für euch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit besonders wichtig?

Madeleine Widmer: Als Entwicklungsabteilung ist man im stetigen Austausch mit anderen Abteilungen. Der Verkauf beispielsweise ist zuständig für neue Aufträge. Wir wiederum beraten den Verkauf und helfen bei spezifischen Rezepturanforderungen der Kunden. Mit dem Marketing bespricht man die Spezifikationen und die Promotionsmöglichkeiten. Die Qualitätssicherung überprüft die Rezepturen auf die gesetzlichen Vorgaben. Sie ist auch verantwortlich für die Analysen und gibt uns Bescheid, wenn es zu Abweichungen kommt. Mit Hilfe des Einkaufs besorgen wir die benötigten Rohstoffe und mit der Produktion fahren wir die Versuche. Die Planung sorgt dafür, dass wir unsere Versuche zwischen der regulären Produktion überhaupt erst einplanen können. Die Zusammenarbeit ist sehr eng, ohne diese gegenseitige Unterstützung wäre unser Job gar nicht möglich.

Die neuen EU-Verordnungen verlangen eine Anpassung aller in der EU und der Schweiz verkauften Babynahrungsprodukten. Wie seid ihr bei der Anpassung der Rezepturen vorgegangen?

Madeleine Widmer: Zuerst mussten wir unsere vorhandenen Rezepturen mit den neuen Nährwertvorgaben vergleichen. Aufgrund der relativ grossen Veränderungen war eine Neuentwicklung des Rezepturportfolios notwendig. Das Update nutzten wir auch gleich als "Upgrade", indem wir Verbesserungen und Anpassungen unserer eigenen Rezepturen vornahmen. Nachdem wir die Rezepturen in der Theorie zusammengestellt haben, starteten wir mit den ersten Versuchen im Labor. Dort mischten wir alle Ingredienzen zusammen und führten verschiedene Tests durch. Danach folgten Kleinversuche. Diese gaben Aufschluss über das mögliche Verhalten der Produkte an den grossen Sprühtürmen. Zu guter Letzt wurden die ersten Versuche an den grossen Sprühtürmen gefahren. Dabei testeten wir, wie gut der Mix sprühbar ist und welche Leistung wir erreichen könnten. Schritt für Schritt erhält man so das ideale Produkt.

Mit welchen Schwierigkeiten war die Entwicklung der neuen Rezepturen verbunden?

Madeleine Widmer: Es gibt Nährwertanpassungen, die einfacher umzusetzen sind als andere. Aus Erfahrung wussten wir bereits, dass beispielsweise die erhöhte Menge an mehrfach ungesättigten Fettsäuren einen negativen Effekt auf die Oxidationsstabilität hat. Das Fett wird "ranzig", was in der Babynahrung im Geruch und Geschmack wahrnehmbar ist. Unsere Aufgabe war es, nach einer Lösung für dieses Problem zu suchen. Wir haben erkannt, dass Kupfer und Eisen die Oxidation fördern und dass wir diesen Vorgang durch eine Änderung im Prozess verlangsamen können.

Was sind die grössten Herausforderungen bei der Prozessoptimierung?

Madeleine Widmer: Man muss das gesamte System kennen und alle Einflüsse im Blick haben. Ich muss nicht nur wissen, was es für Auswirkungen auf die Produktion hat, wenn ich Komponenten in der Rezeptur verändere, sondern auch was für einen Einfluss diese Veränderungen auf andere Bereiche haben. Beim Wechsel eines Rohstoffs muss unter anderem der aktuelle Bestand geprüft und laufende Kontrakte mit Lieferanten beachtet werden. Komponenten, die China-Registriert sind, darf man zum Beispiel nicht einfach so austauschen. Bei der Prozessoptimierung muss man alle Faktoren und deren Auswirkungen auf den Prozess im Auge behalten. Das ist eine sehr grosse Herausforderung.

Büro, Labor oder Produktion – Wo verbringst du die meiste Zeit und wo arbeitest du am liebsten?

Madeleine Widmer: Obwohl das Labor und die Produktion nur ein kleiner Anteil meiner Arbeitszeit umfassen, verbringe ich die Zeit gerne dort. Ich finde es spannend, mit eignen Augen beobachten zu können, wie sich die entwickelten Rezepturen verhalten oder wie unsere theoretische Arbeit in die Praxis umgesetzt wird. Zudem bringen die verschiedenen Arbeitsplätze jeweils Abwechslung in den Alltag, da ich ca. zu 90 % der Arbeitszeit im Büro verbringe.

Was findest du am spannendsten an deinem Beruf?

Madeleine Widmer: Die Durchführung und Begleitung von Versuchen an der Pilotanlage oder direkt in der Produktion faszinieren mich am meisten. Bei den Versuchen zeigt sich, wie die entwickelten Rezepturen sprühbar sind, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind und welche Optimierungen nötig sind, die Rezepturen langfristig auf einer Anlage produzieren zu können. Man hat sehr lange auf diesen Moment hingearbeitet. Es ist ein Meilenstein für die Produktentwicklung.

Herzlichen Dank für das Interview und den spannenden Einblick in eure Arbeit.


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