Herr Dr. Spalinger, die Forschung beobachtet eine Zunahme von übergewichtigen Babys und Kleinkindern. Können Sie das aus Ihrer täglichen Arbeit bestätigen?
Dr. med. J. Spalinger: Die Zunahme des Übergewichts und der Fettleibigkeit, v.a. bei Kleinkindern, ist ein Phänomen, welches wir auch am Kinderspital Luzern beobachten und das Anlass zur Sorge gibt. Vielfach sind sich die Familien nicht bewusst, dass Übergewicht im Kleinkindesalter das Risiko der Fettleibigkeit im Erwachsenenalter drastisch erhöht.
In welcher Form informiert man heute schwergewichtige Eltern über die Möglichkeit, Adipositas beim Baby/Kleinkind zu vermeiden?
Dr. med. J. Spalinger: Die Information sollte bereits während der Schwangerschaft erfolgen, denn die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft hat einen wichtigen Einfluss auf die spätere Entstehung von Übergewicht. Als Kinderärzte unterstützen wir die Mütter, ihre Säuglinge möglichst zu stillen, informieren gemeinsam mit den Mütter-/Väterberatungsstellen über die Bedeutung und Einführung der Beikost und verfolgen regelmässig die Gewichtszunahme und das Wachstum der Kinder.
Wie sind Ihre Erfahrungen, was die metabolische Umprogrammierung bei Kleinkindern betrifft?
Dr. med. J. Spalinger: Eine metabolische Umprogrammierung ist leider kaum möglich, da die Programmierung während der Schwangerschaft bereits zu einem grossen Teil stattgefunden hat. Wir wissen allerdings, dass die Art und Zusammensetzung der Ernährung in den ersten 12 Monaten, d.h. im Säuglingsalter, wesentlich zur Entstehung von Übergewicht beitragen kann. Stillen gilt als beste Prävention! Kann ein Säugling nicht gestillt werden, stehen hochwertige Säuglingsmilchen zur Verfügung. Nach neusten Erkenntnissen haben sowohl die Höhe des Eiweissgehalts als auch die Eiweissqualität dieser Säuglingsmilchen einen Einfluss auf die Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr. Mit Schoppen ernährte Kinder zeigen eine grössere Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr als gestillte. Ein höheres Gewicht im Säuglingsalter erhöht das Risiko von Übergewicht im späteren Leben. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass durch eine leichte Reduktion des Eiweissgehalts im Säuglingsschoppen die Gewichtszunahme im ersten Lebensjahr geringer ist und jener der gestillten Säuglingen angleicht. Dies bedeutet, dass sich das Risiko für Übergewicht im späteren Leben durch eine leichte Eiweissreduktion im Säuglingsschoppen möglicherweise reduzieren lässt.
Herr Dr. Spalinger, wir danken Ihnen herzlich für das interessante Gespräch.
Weitere Informationen
- Interview mit Prof. Dr. Holger Till zum Thema "Entstehung von Übergewicht bei Kindern"
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